Arbeitsrecht: Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erstattung der Kosten des Arbeitnehmer-Verteidigers

Das Arbeitsgericht Köln hat noch kurz vor den Weihnachtsferien 2014 eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen. Es ging dabei (auch) um die Frage, ob ein Arbeitgeber dann zu Erstattung der Anwaltskosten verpflichtet ist, wenn er auf bloßen Verdacht hin und ohne eine weitere Nachprüfung Strafanzeige gegen einen Arbeitnehmer stellt.
Das ArbG Köln bejaht eine solche Erstattungspflicht.
Der konkrete Fall handelte um einen Fahrer, der bei einem Werttransportunternehmen beschäftigt war. Zur Überprüfung der Echtheit eines Geldscheines hatte der Fahrer diesen einer zuständigen Polizeibehörde übergeben. Nachdem er den Geldschein zurückerhalten hatte, gab er diesen in einer Filiale des Wertransportunternehmens ab, vergaß aber, sich die Übergabe quittieren zu lassen. Seitens der Arbeitgeberin konnte der Vorgang später nicht nachvollzogen werden., Die Arbeitgeberin stellte Strafanzeige gegen den Arbeitnehmer, der inzwischen aus dem Unternehmen ausgeschieden war.

Dem Betroffenen war vor Erstattung der Strafanzeige aber keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Nachdem der ausgeschiedene Mitarbeiter von der Strafanzeige Kenntnis erhalten hatte, beauftragte er einen Anwalt mit seiner Verteidigung. Dieser schaltete sich in das laufende Ermittlungsverfahren ein , um den Sachverhalt mit aufzuklären. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Mitarbeiter den Geldschein tatsächlich zurückgegeben hatte, stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ein.
Die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens entstandenen Anwaltskosten verlangte der ehemalige Mitarbeiter zurück. Er wies darauf hin, dass die Anzeige unnötig gewesen sei, weil er bei entsprechender Nachfrage ohne weiteres zur Aufklärung des Sachverhalts hätte beitragen können. Daher müssten ihm die Kosten für die Vertretung seiner Interessen im Ermittlungsverfahren durch einen Rechtsanwalt ersetzt werden. Das lehnte die Arbeitgeberin aber ab.

Der Arbeitnehmer zog daher vor das Arbeitsgericht, das ihm recht gab. Das darf als außergewöhnlich bezeichnet werden, da nach einem Urteil des BVerfG aus dem Jahre 1987 Schadensersatzansprüche - unter anderem wegen entstandener Verteidigerkosten - gegen einen Anzeigeerstatter grundsätzlich ausgeschlossen sind.

Grundsätzlich gilt, dass jedermann, der sich einer rechtswidrigen Tat ausgesetzt sieht - ob zu Recht oder zu Unrecht - Anzeige erstatten darf, solange er dies in gutem Glauben und nach bestem Gewissen tut. Es gilt daher die Folge, dass der Anzeigeerstatter für den Fall der Nichterweisbarkeit des Tatvorwurfs keinesfalls mit dem Risiko von Schadensersatzforderungen belastet werden. Dies ergebe sich unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip (BVerfG, Beschluss v. 25.2.1987, 1 BvR1086/85).
Nach der - daher außergewöhnlichen - Auffassung des ArbG Köln gilt dieser vom BVerfG aufgestellte Rechtsgrundsatz nicht unbeschränkt. In einem Arbeitsverhältnis seien insbesondere die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Unter dem Gesichtspunkt einer solchen arbeitgeberlichen Fürsorge dürfe der Arbeitgeber einem Mitarbeiter nicht grundlos Nachteile zufügen. Der Verdacht einer Straftat müsse zwar grundsätzlich als anerkennenswerter Grund, die Staatsanwaltschaft einzuschalten, betrachtet werden. Jedoch müsse ein Arbeitgeber vor Einleitung eines solchen Schrittes dem Mitarbeiter oder ehemaligen Mitarbeiter zumindest die Gelegenheit zu einer Stellungnahme geben. Dies folge unmittelbar aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Eine solche Anhörung hatte der Arbeitgeber hier aber grundlos unterlassen, was umso schwerer wiege, als auch aus der Sicht des Arbeitgebers zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung das Vorliegen einer Straftat keinesfalls als gesichert erschien. Eine Aufklärung mit Hilfe des Arbeitnehmers wäre daher unabdingbar gewesen.
Die Verletzung dieser Fürsorgepflicht des Arbeitgebers durch Erstattung einer Strafanzeige ohne vorherige Einholung einer Stellungnahme des Arbeitnehmers begründe daher die Pflicht zum Ersatz des durch die aus Sicht des Klägers notwendige Einschaltung eines Strafverteidigers entstandenen finanziellen Nachteils. Die Arbeitgeberin wurde daher zur Erstattung der Anwaltskosten verpflichtet. Rechtskräftig ist das aktuelle Urteil indes noch nicht.
(ArbG Köln , Urteil v. 18.12.2014, 11 Ca 3817/14)



Eingestellt am 08.01.2015 von S. Bastek
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